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Fair Trade trifft Stäpa: Globale Gerechtigkeit lokal gestalten

Beim gemeinsamen Netzwerktreffen mit dem Projekt Sister Cities in Action kamen am 10. April rund 50 Engagierte aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft zusammen, um Fairen Handel im Kontext internationaler Städtepartnerschaften zu beleuchten. Mit Kurzpitches aus Berlin, spannenden Videobeiträgen aus Mexiko-Stadt, Jakarta und Windhoek sowie intensiven Workshops entstanden vielfältige Impulse für zukunftsfähige Zusammenarbeit – lokal und global.

  • 26. Mai 2025

Fair Trade trifft Stäpa

Lebendige Bündnisarbeit fußt auf regelmäßigen Vernetzungstreffen und tollen Kooperationspartnerschaften. Um das Querschnittsthema Fairer Handel im Rahmen der Städtepartnerschaftsarbeit von verschiedenen Seiten zu beleuchten, machten wir gemeinsame Sache mit dem Projekt Sister Cities in Action. Am 10.04.2025 nahmen knapp 50 Personen am gemeinsamen Netzwerktreffen teil, darunter Berliner Fair-Handels-Aktive und -Engagierte aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung, Städtepartnerschafts-Vereine und -Initiativen, Vertreter:innen aus Land und Bezirken mit Städtepartnerschafts-Bezug sowie weitere Interessierte am Thema.

(c) Aktionsbündnis Fairer Handel Berlin
(c) Aktionsbündnis Fairer Handel Berlin

Die Teilnehmenden hatten die Gelegenheit, die Arbeit gleich zweier Berliner Netzwerke kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam neue Impulse zu setzen.
Ob in Berlin oder in den Partnerstädten des Globalen Südens – die Fragen nach zukunftsfähigem Wirtschaften und fairen Handelsstrukturen sind weltweit relevant – und boten daher viel Stoff für einen Erfahrungsaustausch und die Gestaltung städtepartnerschaftlicher Zusammenarbeit.
Wir näherten uns dem Thema über Kurzpitches verschiedener Berliner Akteur:innen des Fairen Handels und bekamen interessante Einblicke in das Verständnis und die Arbeit von Organisationen des fairen und nachhaltigen Wirtschaftens aus den Partnerstädten Mexiko-Stadt, Jakarta und Windhoek.

Der alternative Markt „el mercado alternativo“ aus Mexiko-Stadt

El mercado alternativo, Mexiko-Stadt (Projekt Sister Cities in Action)
Obalihara aus Jakarta, Indonesien (Projekt Sister Cities in Action)

Obalihara aus Jakarta, Indonesien

Propaganda Collective aus Windhoek, Namibia

Propaganda Collective aus Windhoek, Namibia (Projekt Sister Cities in Action)

Workshops

In drei Workshops tauschten sich die Teilnehmenden vertieft zu verschiedenen Aspekten in der Schnittstelle Fairer Handel und Städtepartnerschaft aus, teilten Erfahrungswerte, reflektierten die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung und schmiedeten erste Ideen für zukünftige Projekte.

In diesem Workshop wurden unterschiedliche Ansätze und Herausforderungen des Fairen Handels aus Jakarta, Mexiko-Stadt und Windhoek vertieft diskutiert. Grundlage boten die verschiedenen Videobeiträge aus den Partnerstädten.
Aus Indonesien gab die Umweltorganisation WALHI einen Einblick in faire und nachhaltige Wirtschaftsformen. Im Mittelpunkt stand das Konzept „Ekonomi Nusantara“ sowie die Kooperative O’Balihara, die lokale, gemeinschaftsbasierte Landwirtschaft unterstützt und faire Handelsstrukturen aufbaut. Darüber hinaus wurde das Potenzial für internationale Kooperationen betont, insbesondere im Bereich Wissensaustausch, Bildung und solidarischem Handel.
In Namibia ist der Faire Handel bislang nicht in einem nationalem Rahmen verankert, was eine strukturierte Diskussionen erschwert – besonders vor dem Hintergrund sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten. Künstler:innen und kleine Unternehmen kämpfen mit ungleichen Marktbedingungen, fehlender Wertschätzung kreativer Arbeit und ungleichen Chancen auf Messen und Handelsplattformen. Das Künster:innen-Kollektiv „Propaganda Collective“ aus Windhoek sieht wichtige Lösungsansätze in der Sensibilisierung von Verbraucher:innen, dem Aufbau fairer Marktstrukturen und die stärkere Nutzung des kulturellen Erbes für nachhaltige Wertschöpfung.
In Mexiko-Stadt illustrierte das Beispiel des Mercado Alternativo, wie gerechter Handel zur Förderung sozialer Gerechtigkeit und zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt. Dabei wurde betont, dass fairer Handel in Mexiko als Bewegung verstanden wird, die sich zunehmend etabliert und über den reinen Exportansatz hinausgeht. Gezeigt wurde, wie durch agroökologische Produktion und Bildungsarbeit solidarischer und nachhaltiger Konsum gefördert sowie die Verbindung zwischen Stadt und Land gestärkt werden kann.
In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass großes Interesse daran besteht, wie die vorgestellten Ansätze in der Bildungsarbeit aufgegriffen werden können. Besonders angeregt wurde über den Aufbau regionaler Handelsbeziehungen und über Möglichkeiten eines Süd-Süd-Austauschs zwischen alternativen Marktinitiativen gesprochen. Auch die Frage, wie solidarische Wirtschafts- und Betriebsformen entstehen und vernetzt werden können, ohne Profitmaximierung in den Mittelpunkt zu stellen, wurde intensiv diskutiert. Ein weiterer spannender Aspekt war die Rolle von Städtepartnerschaften als vertrauensvolle Strukturen, die in bestimmten Kontexten alternative Wege zu herkömmlichen Produktsiegeln eröffnen könnten.

In dem als Ideenbörse und Austauschrunde konzipierten Workshop fand ein reger Austausch zu Möglichkeiten der themenbezogenen Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und der Verwaltung statt. Viel Raum nahm die Frage nach dem Verständnis von Fairem Handel ein und was dieser (nicht) mit beinhaltet: Sprechen wir allein über Fair Trade Zertifizierung oder weiten wir unseren Blick auf Themen wie Ernährungssouveränität, bäuerliche Strukturen, dekoloniale Handelsbeziehungen und Fragen des Zugangs zu Land? Es bietet sich an, diese Fragen im Kontext der Städtepartnerschaftsarbeit weiter zu diskutieren und darüber unterschiedliche Perspektiven und Verständnisse sichtbar zu machen.

Die Bedeutung einer dekolonialen Perspektive kam auf, z.B. wenn es darum geht, Fairen Handel als Thema in einer Städtepartnerschaft zu setzen und Gefahr zu laufen, Themen den Partner:innen überzustülpen, unabhängig von deren eigenen Interessen. Aus der Praxiserfahrung wurde berichtet, dass Partner:innen im Globalen Süden dieses Thema oft nicht als Priorität ansehen, auch weil dieses ein europäisches Konzept darstellt. Von größerer Bedeutung bei Partner:inen im Globalen Süden sind je nach Kontext vielmehr Themen wie Ernährungssouveränität oder Landbesitz.
Auch die Rolle des Globalen Südens in der Schnittstelle Städtepartnerschaft und Fairer Handel wurde diskutiert: Wird dieser nur als Rohstoff-Produzent angesehen? Oder wird anerkannt, dass es auch im Globalen Süden Märkte für faire, nachhaltig produzierte (und weiterverarbeitete) Produkte gibt – und entsprechend eine Stärkung des Süd-Süd-Austauschs interessanter sein könnte?

Ebenso gab es interessante Einblicke in die Städtepartnerschaftsarbeit des Landes Berlin sowie der Berliner Bezirke. Deutlich wurde, dass städtepartnerschaftliche Beziehungen sehr individuell und divers verlaufen. Je nach Größe der beiden Partnerkommunen, vorhandener (finanzieller und personeller) Ressourcen, der Entstehungsgeschichte der Partnerschaft und der involvierten Akteur:innen ergeben sich sehr unterschiedliche Möglichkeitsräume. Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft schien aber in allen Fällen ein wichtiger Aspekt zur Absicherung einer nachhaltigen und langfristigen Partnerschaft angesehen zu werden.

Abschließend wurden erste Gedanken zu möglichen zukünftigen Projekte gesammelt, wie zum Beispiel ein Jugendaustausch im Sportkontext, der das Thema Fairer Handel und Nachhaltigkeit näherbringt.

In diesem Workshop stand der Austausch und die Diskussion über Potential und Herausforderungen der Vermarktung fairer Hauptstadtprodukte im Vordergrund. Die Teilnehmenden erhielten einen Überblick über bereits bestehende faire Hauptstadtprodukte und erörterten die Frage, wie faire Handelsbeziehungen mit Berlins Partnerstädten gestaltet werden, etwa im Rahmen von Hauptstadtprodukten.

Was macht ein Produkt zu einem fairen Hauptstadtprodukt? Die Teilnehmenden waren der Meinung, es sollte über möglichst viele Berlin-Bezüge verfügen („alles, was geht aus Berlin“, u.a. Design, Weiterverarbeitung), massentauglich sein und im Sinne der Bildungs- und Infoarbeit Geschichten über die Herkunft der Produktkomponenten erzählen. Auch weitere nachhaltige Aspekte (z.B. umweltverträgliche Verpackung) sollten eine Rolle spielen, ebenso wie ein Bezug zu lokalen migrantisch-diasporischen Communities.

Als wichtige Ziele wurde in der Diskussion genannt, die Verbindungen zu Städtepartnerschaften herzustellen und die lokale Wirtschaft beider Partnerregionen – Süd und Nord – entlang der Wertschöpfungskette zu stärken, Berlin erlebbar zu machen und Identifikation zum Produkt zu schaffen.

Die bereits existierenden fairen Hauptstadtprodukte – der Berliner Bohne-Kaffee und die Hauptstadtschokolade BerlinChoc wurden in Kurzpitches vorgestellt, ebenso wie der Bezirkskaffee Treptow-Köpenicker Bohne.  Deutlich wurde dabei, dass sich die Entstehungsprozesse, die Ausrichtung (ideell mit Schwerpunkt Bildungs- und Infoarbeit oder kommerziell) sowie der Einsatz der Produkte jeweils deutlich unterschieden haben.

Produkte aus den Partnerregionen wurden verkostet (Alegrías als traditionelles Kulturgut aus Mexiko-Stadt) und präsentiert (Pfeffer und Vanilleschoten aus Indonesien), darüber hinaus erhielten wir interessante Einblicke ins Hauptstadtmarketing auf Landesebene und mögliche Anknüpfungspunkte, fair gehandelte (non-food) Produkte in diesem Kontext zu platzieren.

Die Frage, welche weiteren fairen Hauptstadtprodukte es perspektivisch geben könnte, wurde aus Zeitgründen lediglich andiskutiert. Es wurde beschlossen, die Diskussion um eine Weiterentwicklung im Rahmen der AG im Aktionsbündnis weiterzuführen; knapp die Hälfte der Workshopteilnehmenden äußerten Interesse, sich hieran zu beteiligen.

(c) Aktionsbündnis Fairer Handel Berlin
Ansprechperson für weitere Fragen zum Thema
Nadine Berger Portrait
Nadine Berger
Geschäftsführung Ansprechperson für die Bereiche Vernetzung und Qualifizierung
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